Werden Steuerberater bald durch Künstliche Intelligenz ersetzt?
Replaced By Robot?
Letztens fragt mich jemand, ob die Automatisierung durch smarte Software in unserer Branche Jobs fressen wird und es für junge Menschen daher vernünftiger wäre, sich für eine Karriere als Softwareentwickler oder IT-Techniker zu entscheiden. Es stimmt natürlich, die Computerisierung schreitet voran und die Automatisierung gewinnt an Intelligenz.
Autonome, fahrerlose Autos, die noch vor 15 Jahren als naive Vision abgetan wurden, weil die damit verbundenen komplexen Entscheidungen jede Software überfordern würden, sind heute Realität. Und die Entwicklung geht rasant voran. Von Arbeitslosigkeit durch fortschreitende Technologie werden in naher Zukunft nicht nur Taxi- und Busfahrer betroffen sein, auch in der Steuerberatung wird es zu massiven Umwälzungen führen, schreibt man. Die Website „Replaced By Robot“ listet den Beruf SteuerberaterIn als einen von jenen auf, die zu 99 Prozent von Automatisierung betroffen sein werden. „SteuerberaterInnen werden mit Sicherheit durch Roboter ersetzt werden“, steht dort als trockenes Resümee zu lesen.
Grund in Panik zu verfallen und sich schon mal vorsorglich für einen Umschulungskurs beim AMS anmelden? Nein, denn das Problem ist kein neues.
William Lee baut gegen Ende des 16. Jahrhunderts eine automatische Stickmaschine. Als er diese Königin Elisabeth I. in London präsentierte, war sie wenig erfreut. Zu Lees Enttäuschung machte sich die Königin große Sorgen um Arbeitsplätze und verweigerte ihm das Patent. Die Erfindung würde die Arbeit zahlreicher Untertanen stehlen und die zu Bettlern machen, so die Königin.
Aufhalten konnte Königen Elisabeth die Industrielle Revolution dadurch freilich nicht. Mittlerweile befinden wir uns mitten in der Digitalen Revolution und ein Ende ist nicht in Sicht: Maschinelles Lernen, Big Data, elektronische Bildverarbeitung und andere Bereiche der Künstlichen Intelligenz gewinnen ständig an Bedeutung. Mit dieser Entwicklung im Blick sagen Experten voraus, dass es in 15 bis 20 Jahren die Hälfte der Arbeit, wie wir sie heute kennen, in dieser Form nicht mehr geben wird. Was einmal digitalisiert ist, kann vernetzt und im nächsten Schritt mit Hilfe Künstlicher Intelligenz automatisiert werden. Steuerberater werden von diesem Wandel besonders betroffen sein. Was also tun? Meine Boutiquekanzlei vom Internet kappen und alle PCs zerschlagen? Ich sehe das als keine Option.
Das mussten bereits die Maschinenstürmer 200 Jahre nach Königin Elisabeth einsehen, als das Parlament in London ein Gesetz verabschiedete, das bei Todesstrafe verboten, Maschinen zu zerstören. Dennoch bin ich zuversichtlich – und nicht nur ich. Auch der Zukunftsforscher Matthias Horx untermauerte erst unlängst mein Theorem in einer Online-Runde. Und er ist klüger als ich – er forscht Zukunft! Ich forsche nur nach Steuerschlupflöchern.
Denn so wie bei der Industriellen Revolution Jobs verloren gegangen sind, sind auch neue entstanden. Ähnlich werden wir im 21. Jahrhundert erleben. Zahlreiche Experten sind sich einig: Egal wie geübt Maschinen automatisiert Abläufe in Bereich der Steuerberatung durchführen werden können – das Urteilsvermögen einer erfahrenen Steuerberaterin zu ersetzen, wird ihnen nicht gelingen. Skills im Bereich des „steuerlichen Concierge-Service“-wir ich es nenne und biete – und Empathie, wirtschaftliche Analyse mit Hausverstand, Unternehmertum und Management werden weiterhin gefragt sein, während große Teile unserer alltäglichen Knochenarbeit die KI übernehmen wird.
Daher meine Antwort auf die eingangs gestellte Frage: Die Branche braucht gut ausgebildete Leute – Begeisterung für den Job, neue Ideen, Besonnenheit und Krisenfestigkeit sind mehr gefragt denn je. Die SteuerberaterInnen von morgen werden nicht trotz der Computer wichtig bleiben, sondern gerade deshalb, weil sie in Symbiose mit ihnen effektiver arbeiten und neue Möglichkeiten ausschöpfen werden. Wissen ist somit Luxus. Luxus in Zeiten wie diesen ist aber vor allem Gesundheit und mit diesen Wünschen gehen wir ins neue Jahr.
(siehe: Sheconomy, S. 34 – Ausgabe 4| 2020, Claudia Stadler)