
Doppelwohnsitz: Wo bin ich steuerlich ansässig?
Wer in zwei Ländern wohnt oder zeitweise im Ausland arbeitet, stellt sich oft die Frage: Wo bin ich steuerlich ansässig? Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat in seinem Urteil vom 3. September 2024 (Ra 2023/13/0186-8) klargestellt, wie der Mittelpunkt der Lebensinteressen ermittelt wird. Diese Feststellung ist entscheidend, da sie bestimmt, in welchem Land Steuern gezahlt werden müssen.
Grundprinzipien der Steuerpflicht
Viele Staaten wenden zwei Steuerprinzipien parallel an:
- Unbeschränkte Steuerpflicht: Wer in einem Land einen Wohnsitz hat, muss dort sein gesamtes Welteinkommen versteuern.
- Beschränkte Steuerpflicht: Einkünfte, die in einem anderen Staat erzielt werden, sind dort ebenfalls steuerpflichtig.
Sobald eine Person in Österreich einen Wohnsitz hat, unterliegt sie in Österreich der unbeschränkten Steuerpflicht. Mehrere Wohnsitze in verschiedenen Ländern können zu einer Doppelbesteuerung führen, die durch nationale oder internationale Maßnahmen, insbesondere durch Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), vermieden werden soll. Dabei spielt das Ansässigkeitsprinzip eine entscheidende Rolle.
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA): Vermeidung der Doppelbesteuerung
Um eine doppelte Besteuerung zu verhindern, hat Österreich mit rund 90 Staaten Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen. Diese regeln, welches Land in welchen Fällen Steuern erheben darf. Dabei wird zwischen zwei Staaten unterschieden:
- Ansässigkeitsstaat: Hier befindet sich der Lebensmittelpunkt der Person.
- Quellenstaat: Hier werden zusätzliche Einkünfte erzielt.
Grundsätzlich erfolgt die Besteuerung der Einkünfte im Quellenstaat. Um eine Doppelbesteuerung im Ansässigkeitsstaat zu vermeiden, kommen zwei Methoden zur Anwendung:
- Anrechnungsmethode: Die ausländischen Einkünfte werden im Ansässigkeitsstaat besteuert, aber die im Ausland gezahlten Steuern werden angerechnet.
- Befreiungsmethode: Die Einkünfte des anderen Staates bleiben steuerfrei, werden aber zur Ermittlung des Steuersatzes berücksichtigt (Progressionsvorbehalt).
Tie-Breaker-Regelung: Wo bin ich tatsächlich ansässig?
Wenn eine Person in zwei Ländern als steuerlich ansässig gilt, klärt die sogenannte Tie-Breaker-Regelung gemäß Artikel 4 Absatz 2 des OECD-Musterabkommens (OECD-MA), in welchem Staat sie tatsächlich ansässig ist. Die Entscheidung basiert auf folgenden Kriterien:
- Ständige Wohnstätte: In welchem Land gibt es einen festen Wohnsitz?
- Mittelpunkt der Lebensinteressen: Wo sind die stärksten persönlichen und wirtschaftlichen Bindungen?
- Gewöhnlicher Aufenthalt: In welchem Land hält sich die Person überwiegend auf?
- Staatsangehörigkeit: Welche Nationalität hat die Person?
Der Lebensmittelpunkt als entscheidender Faktor
Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist der Ort, zu dem eine Person die engsten Bindungen hat – sowohl persönlich als auch wirtschaftlich. Dabei sind verschiedene Aspekte relevant:
- Familie und soziale Kontakte: Wo lebt die Familie? Wo sind enge Freunde?
- Wohnsituation: Wird die Wohnung regelmäßig genutzt? Gibt es einen Hauptwohnsitz?
- Berufliche Bindungen: Wo wird gearbeitet? Ist die Auslandstätigkeit befristet?
- Aufenthaltsdauer und -grund: Ist der Aufenthalt im Ausland nur vorübergehend?
Das VwGH-Urteil 2024: Fallbeispiel eines Österreichers in den USA
Im konkreten Fall zog ein österreichischer Staatsbürger mit seiner Familie für eine befristete dreijährige Tätigkeit in die USA. Trotz Wohnsitz und Arbeit in den USA entschied der VwGH, dass sein Lebensmittelpunkt weiterhin in Österreich lag. Die Begründung:
- Frühzeitige Rückkehr: Die Familie kehrte vorzeitig nach Österreich zurück, weil die Kinder dort eingeschult wurden. Der VwGH hatte bereits 2010 entschieden (Urteil vom 29.4.2010, 2009/15/0198), dass die Schulbildung der Kinder ein wesentliches Indiz für den Lebensmittelpunkt ist.
- Keine Ansässigkeitsbescheinigung in den USA: Die US-Behörden sahen ihn nicht als steuerlich ansässig an.
- Starke Bindung an Österreich: Die persönlichen und familiären Beziehungen zu Österreich blieben bestehen. Der Familienwohnsitz wurde beibehalten, ebenso die österreichische Sozialversicherung. Zudem war die Rückkehr nach Österreich bereits vor dem Wegzug in die USA geplant.
Fazit
Das Urteil zeigt, dass persönliche Bindungen oft wichtiger sind als wirtschaftliche Faktoren, wenn es um die steuerliche Ansässigkeit geht. Eine befristete Tätigkeit im Ausland führt in der Regel nicht zu einer Verlagerung des Lebensmittelpunkts, solange ein wesentlicher Bezug zu Österreich erhalten bleibt.
Stand: März 2025, Haftungsausschluss/ Disclaimer:
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